Konfuzianismus zum zweiten

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Referat im Fach Interkulturelle Kommuniaktion im vierten Semester zum Thema Konfuzianismus zusammen mit mehreren Studenten der FH Aalen.

 

Inhaltsverzeichnis:

  1. Einführung
  2. Soziale Bindungen statt Individualität
  3. Konfuzius
  4. Konfuzianismus
    1. Konfuzianische Philosophenschulen
  5. Der Einfluß des Konfuzianismus auf zwischenmenschliche Beziehungsmuster
    1. Partikularistische statt universalistische Beziehungen
    2. Langfristige, abhängige Beziehungen, statt kurzfristige, sich auszahlende oder verpflichtende Beziehungen
    3. Unterscheidung in Mitglieder und Nichtmitglieder einer Gruppe
    4. Informelle statt offizielle Vermittler
    5. Überschneidung privater und geschäftlicher Beziehungen
  6. Der Einfluß des Konfuzianismus auf Kommunikationsformen
    1. Verlaufsorientierte statt folgeorientierte Kommunikation
    2. Genau differenzierende statt weniger differenzierende linguistische Redewendungen
  7. Grundregeln der Kommunikation
    1. Schwerpunkt auf indirekter statt direkter Kommunikation
    2. Gesicht geben und wahren
    3. Empfänger statt Sender im Mittelpunkt

 

  1. Einführung
  2. In den letzten Jahren wurden viele der physischen Hindernisse zwischen Ostasien und der westlichen Welt durch das Fortschreiten der Technik überwunden. Dies hat aber nur zur Folge, daß man diesen Teil der Welt leichter erreichen kann, nicht aber, daß man philosophische und kulturelle Grenzen leichter erkennen und überwinden kann.

    Dies zu erkennen ist aber der erste Schritt. Im allgemeinen sind wissenschaftliche Ansätze, dieses Problem zu lösen, eher oberflächlicher Natur. Zunächst muß man tiefer in die Gedankenwelt ostasiatischer Völker eindringen. Kommunikation als grundlegenden sozialen Prozeß zu betrachten, ist Voraussetzung dafür, zu erkennen, daß sie durch philosophische Wurzeln und Wertordnungen seiner jeweils zugrundeliegenden Gesellschaftsordnung beeinflußt wird. Da es im ostasiatischen Kulturkreis eine Vielzahl teilweise entgegengesetzter Tendenzen gibt, wird unser Referat überwiegend den chinesischen Kulturkreis, der am meisten durch die philosophischen Prinzipien des Konfuzianismus beeinflußt wurde. Andere, vom Konfuzianismus beeinflußte Länder verhalten sich ähnlich, wie das Beispiel Vietnam zeigt. Hier (Vietnam?) herrschen zwischenmenschliche, soziale Bindungen und die Unterwerfung unter einen hierarchischen Familienverband vor, die einer der geistlichen Inhalte und Grundlage des Konfuzianismus sind.

  3. Soziale Bindungen statt Individualität

Ein Vergleich zwischen Ost und West zeigt, daß in Ostasien soziale Bindungen bevorzugt werden, während z.B. in Nordamerika die Individualität im Mittelpunkt steht.

Individualität sei die "gefühlsmäßige Unabhängigkeit einzelner von Gruppen, Organisationen oder anderen Vereinigungen" (Hofstede, "Cultural Consequences", 1980). Eine andere Seite ergänzt diese Definition wie folgt: "Individualität bedeutet, zunächst seine eigenen, privaten Interessen zugrunde zu legen, statt seine Haltung zu Interessen oder Werten der Gesellschaft oder einer Gruppe zuerst zu berücksichtigen" (Pharson, Shils und Olds, 1951).

Diese Form der Gemeinschaft kann man nicht mit Ostasien vergleichen. Hier werden eher echte soziale Bindungen und ihre Erhaltung bevorzugt, statt eine abstrakte Beziehung zu einer wie auch immer gearteten Gemeinschaftsorganisation. Hui und Triandis empfahlen deshalb 1986 in ihrer Studie "Journal of Cross-Cultural Psychology" eine Zweiteilung des Kollektivismus:

  1. Als Beziehung zwischen Menschen in einer Gruppe oder

  2. Als Beziehung zwischen den Menschen allgemein innerhalb der Gesellschaft.

    Amerikaner beten nun eher den Gott der Individualität an. Alles, was gegen das Recht der Amerikaner, an sich selbst zu denken, gegen ihr Recht auf Selbstbestimmung, gegen ihr Recht auf eigene Entscheidungen und dagegen spricht, ihr Leben so zu leben, wie sie es wollen, ist nicht nur unmoralisch, sondern auch ein Sakrileg. Varenne sagte 1977, es gebe kein System von Prinzipien, das zwischenmenschliche Beziehung in Amerika regelt, außer Individualität.

    Dennoch wollen viele Amerikaner sich zu Gruppen zusammenschließen, solange sie ihre Individualität behalten. Deshalb treten sie nur Gruppen bei, die sie jederzeit auch wieder verlassen können. Dadurch ist Individualität auch dominierendes Merkmal der Kommunikation in der westlichen Welt. Jedes Individuum ist ein Sender, der sich in gemeinsamen Aktivitäten engagiert, um Eigeninteressen voranzutreiben.

    Die sozialen Bindungen in Ostasien sind das genaue Gegenteil. Die geschichtlich frühe Hinwendung Ostasiens zur Gemeinschaft ist auf die Lehren des Konfuzianismus zurückzuführen.

     

  1. Konfuzius (551 bis 479 v. Chr)
  2. Der Überlieferung zufolge entstammte Konfuzius dem chinesischen Kleinadel und wurde im Staat Lu (der heutigen Provinz Shandong) geboren. Erzählungen über sein Leben berichten, daß sein Vater, der Befehlshaber eines Bezirks in Lu war, drei Jahre nach der Geburt des Konfuzius starb und die Familie in Armut hinterließ. Dennoch erhielt Konfuzius in Anerkennung der Leistung seines Vaters für die Erhaltung der Staatstraditionen der Chou-Dynastie eine gute Ausbildung.

    In einer bekannten Überlieferung über das Leben des Konfuzius wird behauptet, daß er im Alter von 50 Jahren Magistrat von Zhongdu und im darauf folgenden Jahr Justizminister im Staat Lu geworden sei. Lu sei so mächtig geworden, daß der Herrscher eines Nachbarstaates Schritte ergriffen habe, den Minister abzusetzen. Ob Konfuzius tatsächlich selbst an die Macht strebte oder durch seine Lehren lediglich versuchte, die Herrscher auf den rechten Pfad der Tugend zu bringen, ist indes nicht geklärt.

    Die Lehre des Konfuzius, die von ihm nur mündlich vorgetragen wurde ist von seinen Schülern in Lun-yu (Gespräche) festgehalten worden. Im Zentrum seiner Lehre stehen die fünf Tugenden Pietät, Loyalität, Rechtlichkeit, Zuverlässigkeit und Bescheidenheit. Konfuzius, seit Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. als geistiger König verehrt, erlangte größten, bis heute andauernden Einfluss auf die Entwicklung der chinesischen Philosophie. Bei der außerordentlichen Verehrung, die ihm bereits zu Lebzeiten zuteil wurde, spielte vermutlich die traditionelle chinesische Überlieferung eine Rolle, nach der alle 500 Jahre eine bedeutende Persönlichkeit erwartet wurde, die den Staat moralisch erneuerte. Vor diesem Hintergrund wird die mythische Überhöhung seiner Person verständlich. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Konfuzius, auf dessen Grab der Kaiser 555 n. Chr. erstmals Opfer darbrachte und zu dessen Ehren seit dieser Zeit in jeder Provinzhauptstadt auf kaiserlichen Befehl ein Tempel zu errichten war, per Erlass mit den höchsten Göttern gleichgestellt.

  3. Konfuzianismus
  4. Der Konfuzianismus als bedeutendste philosophische Geisteshaltung in China, entwickelte sich aus den Lehren des Konfuzius und seiner Schüler. Zentrales Anliegen des Konfuzianismus sind gute Führung, praxisbezogenes Wissen sowie angemessene gesellschaftliche Beziehungen. Der Konfuzianismus prägte die Lebenseinstellung der Chinesen sowie bestimmte Lebensmuster und gesellschaftliche Standardwerte und lieferte den Hintergrund für politische Theorien und Institutionen Chinas. Er verbreitete sich von China über Korea und Japan bis nach Vietnam und weckte auch das Interesse abendländischer Gelehrter.

    Da der Konfuzianismus praktisch und gegenwartsorientiert ist, hatte er, verglichen mit anderen religiös-philosophischen Systemen wie Buddhismus/Taoismus - einen weit stärkeren Einfluß auf die Menschen im ostasiatischen Raum.

    Die konfuzianische Lehren sind in der religiösen Idee begründet, daß rechtes Verhalten die Harmonie mit der ewigen Weltordnung erreichen könne. Dieses Verhalten bestehe in:

    jen (Selbstlosigkeit/ Menschlichkeit,

    i (Treue gegen sich und andere),

    li (Rechtschaffenheitl Schicklichkeit) und

    chih (Weisheit/ Aufrichtigkeit).

    Jen (Menschlichkeit) ist sicher das Innerste des Konfuzianismus, und entsprechend schwer zu verstehen. Es meint hauptsächlich selbstlose Gefühle zwischen den Menschen. Es sei wie die Saat, aus der alle guten Eigenschaften des Menschen entspringen. Jen ist in unserem Leben eng mit dem shu verbunden, das Gegenseitigkeit bedeutet.

    Konfuzius selbst hat vermutlich einst die Gegenseitigkeit als Innerstes seiner selbst gesehen. Er sagt: "Es gibt keinen Fall, wo ein Mensch, der die Gegenseitigkeit nicht verstanden hat, wirklich mit einem anderen kommunizieren konnte, welche Schätze er auch immer in sich trug". Das bedeutet jen zu besitzen setzt voraus, shu zu besitzen; d.h. man muß sich in die Haut des anderen versetzen können, man muß fähig sein, mit anderen zu empfinden. Das zweitwichtigste Prinzip ist i; das bedeutet Treue, Loyalität oder Gerechtigkeit. Auch das ist sehr schwer zu verstehen. Am besten kann man es mit seinem Gegenteil erklären: persönliche Interessen und Profit. I ist der Teil der menschlichen Natur, der es uns erlaubt, hinter schnellen, persönlichen Profit zu sehen, und uns zur eigentlichen Treue des Menschen zu erheben, die uns mit anderen verbindet. I besagt menschliche Beziehungen basieren nicht auf persönlichem Profit, sondern auf Verbesserung des Allgemeinguts.

    Wenn jen und i der geistige Inhalt des ethischen konfuzianischen Systems sind, dann ist li (Schicklichkeit/Rechtschaffenheit, Achtung vor sozialen Konventionen) seine äußere Ausprägung. Als objektives Kriterium für sozialen Anstand, wird Ii als grundlegendes Regelwerk feinen Benehmens in der menschlichen Gesellschaft betrachtet. Laut Konfuzius folgt Ii aus jen, also daraus, selbstlos gegenüber anderen zu sein. Nur, wenn Menschen sich selbst überwinden, und so zur Treue zurückkehren können, können sie Menschlichkeit erreichen. Andererseits betrachtet man Rechtschaffenheit ohne Menschlichkeit als leer und sinnlos.

    Weitere wichtige konfuzianische Tugenden sind die Rechtschaffenheit, Sittlichkeit, Aufrichtigkeit und Ehrfurcht des Sohnes vor dem Vater. Derjenige, der alle diese Tugenden in sich vereint, wird zum chün-tzu (vollkommener Edelmann).

     

    4.1 Konfuzianische Philosophenschulen

    Nach Konfuzius’ Tod entstanden zwei große konfuzianische Schulen. Die eine wurde von Mencius (auch: Meng Tzu) vertreten und die andere von Xunzi (Hsün K’uang, um 300 bis ca. 235 v. Chr.). Mencius führte die ethischen Lehren des Konfuzius weiter und betonte die angeborene Güte des Menschen. Er glaubte aber auch, daß die ursprüngliche Güte im Menschen durch eigene zerstörerische Bestrebungen sowie durch schlechten Umgang verloren gehen können. Somit gehört es zur Pflege der Moral, die Güte, als das Geburtsrecht eines jeden, zu erhalten oder wiederherzustellen. Bezüglich seiner politischen Gedanken wird Mencius zuweilen als einer der frühen Verfechter der Demokratie angesehen, da er die Idee des Volkes als höchste Gewalt im Staat geltend machte.

    Im Gegensatz zu Mencius behauptete Xunzi, daß der Mensch von Geburt an schlecht sei, daß er jedoch durch moralische Erziehung verbessert werden könne. Seiner Meinung nach sollte die Sehnsucht aufgrund von Sittlichkeitsregeln gelenkt bzw. unterdrückt und der Charakter durch eine regelmäßige Beachtung der Sitten und unter dem Einfluss von Musik geformt werden. Die gewaltige Auswirkung dieser Regel auf den Charakter beruht auf einer richtigen Lenkung der Gefühle sowie auf der Vermittlung von innerer Harmonie. Hsün-tzu war der Hauptvertreter des konfuzianischen Ritualismus.

    Nach einer kurzen Ruhepause im 3. Jahrhundert v. Chr. erwachte der Konfuzianismus während der Han-Dynastie (206 v. Chr.-220 n. Chr.) zu neuem Leben. Die konfuzianischen Werke, von denen einige Abschriften in der vorhergehenden Periode verloren gingen, wurden wiederhergestellt, unter die kanonischen Bücher aufgenommen und von ausgebildeten Scholaren in den nationalen Akademien gelehrt. Auf der Grundlage dieser Werke wurden später auch die Prüfungen für den Staatsdienst durchgeführt. Die Kandidaten für die Regierungsstellen wurden nämlich nach dem Umfang ihrer klassischen Literaturbildung eingestellt. Somit konnte sich der Konfuzianismus einen festen Platz in dem intellektuellen und politischen Leben Chinas sichern.

  5. Der Einfluß des Konfuzianismus auf zwischenmenschliche Beziehungsmuster
  6. Mindestens drei der vier Hauptprinzipien des Konfuzianismus haben also direkten Einfluß auf soziale Bindungen. Unter solch strengem Einfluß, haben ostasiatische Länder Beziehungsmuster entwickelt, die sich von der individualistischen Sichtweise Nordamerikas grundlegend unterscheiden.

     

    5.1 Partikularistische statt Universalistische Beziehungen

    Wie schon die weiter oben beschriebenen Gefühle des jen zeigen, ist das Verhältnis zwischen den Personen entscheidend. Das bedeutet; daß im konfuzianischen Denken Beziehungen auch von der jeweiligen Situation abhängen. Die Einwohner Ostasiens wenden nicht dieselben Regeln auf jeden an, ihre Beziehungen sind vielmehr abhängig vom Grad der Vertrautheit und der Stellung der betroffenen Person, sowie dem jeweils besonderen Zusammenhang. Sie haben also Regeln für das Zusammenleben mit ihnen nahestehenden Personen, aber kaum Regeln für Kontakte mit Fremden.

    Amerikaner würden das als Verstoß gegen Fairneß und Gleichheit betrachten. Sie partikularisieren zwischenmenschliche Beziehungen nicht; sie sind eher bereit, andere als eigenständige Persönlichkeit zu sehen, und wenden dementsprechend generalisierte, objektive Regeln an. Es ist nicht unüblich, beim morgendlichen Spaziergang auch Fremde mit einem freundlichen ,,Hallo" oder ,,Guten Morgen" zu begrüßen, auch spricht man schon einmal jemanden an, wenn man mit ihm in einer Schlange steht. In Korea sollte man so etwas nicht tun, die Menschen wurden einen für sehr unhöflich halten.

    Die Einwohner Ostasiens sehen es als menschlicher an, Zusammenhang und Person einzubeziehen, um Handeln und Verhalten zu verstehen. Sie wollen sie nicht mit generalisierten Regeln berechnen, die bis zu einem gewissen Grad unpersönlich sind.

     

    5.2 Langfristige, abhängige Beziehungen, statt kurzfristige, sich auszahlende oder verpflichtende Beziehungen

    Die Einstellungen zu Gruppen unterscheiden sich sehr stark. In Amerika treffen sich Menschen zu bestimmten Zwecken; trotzdem sind sie frei und unabhängig. Sie können Gruppen jederzeit verlassen, oder anderen beitreten, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Verpflichtungen werden als Beschneidung der eigenen Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit betrachtet. Beziehungen sind symmetrisch verpflichtend, was bedeutet, sie müssen sich soweit als möglich auszahlen, oder aber vertraglich bedingt; man verpflichtet sich gegenüber einer Einrichtung, oder geschäftlich mit einem Vertragspartner (Condon & Yousef, 1975).

    Die konfuzianische Philosophie hingegen betrachtet Beziehungen als ergänzend oder asymmetrisch, und sich gegenseitig verpflichtend. Eine Person ist sozusagen immer anderen verpflichtet, die umgekehrt selbst durch andere Verpflichtungen an diese gebunden sind. In diesem System der Gegenseitigkeit werden Gefälligkeiten nicht gegeneinander aufgerechnet; das würde auf schnelle persönliche Profite abzielen. Dies widerspräche aber dem Prinzip des i. Wenn in Korea eine Gruppe von Freunden, Kollegen oder Chefs und Untergebene miteinander essen gehen, so ist es unüblich; getrennt zu bezahlen. Eher würde jeder sich danach drängen, für die anderen zu bezahlen. Indem man Beziehungen auf ergänzende Verpflichtungen auslegt, erzeugt man herzliche, andauernde zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch die Notwendigkeit, Verpflichtungen, die sich hieraus ergeben, zu akzeptieren.

     

    5.3 Unterscheidung in Mitglieder und Nichtmitglieder einer Gruppe

    Zugehörigkeit zu einer Gruppe und die Beweglichkeit zwischen den Gruppen sind in Nordamerika normalerweise freiwillig, darum sind langdauernde Gruppenzugehörigkeit und Loyalität zu einer Gruppe selten.

    Gegenseitige Abhängigkeit, wie sie das konfuzianische Prinzip des i vorsieht, setzt natürlich voraus, daß jemand vollständig in eine sehr eng verknüpfte Gruppe von Menschen über längere Zeit aufgenommen wird, und sich damit identifizieren kann. Diese langdauernden Bindungen funktionieren, weil jedes Gruppenmitglied von jedem anderen Gegenleistungen erwarten kann und weil alle wissen, daß sie sich früher oder später aufeinander verlassen können. Menschen, die in einer solchen Art von Netz verstrickt sind, unterscheiden sehr streng zwischen Mitglied und Nichtmitglied. Beispielsweise gibt es Unterschiede in speziellen Redewendungen innerhalb einer Gruppe im Vergleich zu außerhalb. Was innerhalb der Gruppe gesagt wird, unterscheidet sich stark von dem, was man außerhalb der Gruppe sagt.

     

    5.4 Informelle statt offizielle Vermittler

    Die Betonung der Schicklichkeit (li) im Konfuzianismus führt dazu, daß man eigentümliche Rituale absolvieren muß, um Beziehungen zu einer neuen Gruppe zu knüpfen. Teil dieser Rituale ist ein Vermittler, der Kontakt zu einer fremden Gruppe hat, und gleichzeitig zu einem neuen Mitglied. Dieser Vermittler versucht nun, seine eigene Beziehung zu beiden Parteien dazu zu nutzen, sie zusammenzuführen. Er verwendet zum Beispiel schon bestehende Bindungen, wie die Herkunft aus der gleichen Provinz, oder das Besuchen der gleichen Universität. Bestehen solche Bindungen nicht, bringt er eigene Bindungen ins Spiel. Er weist darauf hin, er sei ein ehemaliger Schulfreund, oder sie arbeiteten zusammen in der gleichen Firma.

    In den USA sind Vermittler normalerweise geschäftlich oder vertraglich mit den Parteien verbunden, die sie zusammenführen wollen: Anwälte, Unterhändler, Heiratsvermittler und dergleichen. Er hat meist keinerlei wissen über beide Parteien, ist auch selbst nicht Teil einer solchen. Zwar werden auch in der westlichen Welt Beziehungen benutzt, um bestimmte Ziele zu erreichen, aber dies wird im allgemeinen als Vetternwirtschaft herabqualifiziert, oder gar als Aufgabe der persönlichen Freiheit verstanden werden.

     

    5.5 Überschneidung privater und geschäftlicher Beziehungen

    Aufgrund des konfuzianischen Prinzips des i werden rein geschäftliche Beziehungen auf vertraglicher oder berechnender Basis strikt abgelehnt. Zwar ist auch hier die Beziehung geschäftlich, aber beide Parteien bevorzugen eine persönlichere und herzlichere Basis. Lee (1983) definiert fünf Punkte, die er als Regeln für eine gute Geschäftsbeziehung betrachtet: (1) möglichst häufige, langdauernde Kontakte, (2) eine persönliche, herzlichere Bindung anstreben, (3) gemeinsame Erlebnisse (Sport, Drinks, Reisen) soweit möglich, (4) beiderseitiges Verständnis auf persönlicher Ebene, und in ebensolchen Situationen erzeugen, (5) ein Vertrauensverhältnis und positive Einstellung beim Verhandlungspartner erzeugen. So soll der Unterschied zwischen geschäftlicher und privater Beziehung möglichst gering gehalten werden. Erwiesenermaßen basiert eine gute Geschäftsbeziehung auf guter persönlicher Bindung; sie erfordert Vertrauen und Entgegenkommen. Sie dauern auch länger an, und sind nicht nur auf eine geschäftliche Transaktion beschränkt.

    In den USA ist die Trennung zwischen Geschäft und Privatleben sehr streng. Da das Individuum eine möglichst hohe gesellschaftliche Stellung anstrebt, will man nicht zum "organisierten Menschen" werden (Bellah et al, 1985); sie widerspräche der Definition vom selbstbewußten Individuum. Auch wird das Privatleben als Schutzschild gegen den Druck eines wettbewerbsbetonten Geschäftslebens betrachtet, das man verteidigen muß.

     

  7. Der Einfluß des Konfuzianismus auf Kommunikationsformen

 

Da sich der Konfuzianismus hauptsächlich mit sozialen Bindungen auseinandersetzt, hat er die Kommunikation in China sehr stark beeinflußt. Er sorgte hauptsächlich dafür, daß Umgangsformen entwickelt wurden, die helfen, angemessene menschliche Beziehungen zu entwickeln und zu fördern.

 

6.1 Verlaufsorientierte statt folgeorientierte Kommunikation

 

Kommunikation in China wird überwiegend dazu genutzt, Beziehungen aufzubauen, weiterzuentwickeln und zu erhalten. Kommunikation soll also beziehungsfördernd sein. In China steht privater small talk im Vordergrund, bevor man zum geschäftlichen übergeht. Dieser small talk beinhaltet überwiegend Informationen zu anwesenden Personen, die helfen, alle in den richtigen Zusammenhang zu bringen.

Kommunikation wird als unendlicher Erklärungsprozeß betrachtet, der nicht in Sender, Nachricht, Kanal und Empfänger zerlegt werden kann. Voraussetzung ist, daß beide Parteien mit einem immer weiter fortschreitenden Verlauf beschäftigt sind und daß die Beziehung in Fluß bleibt.

In den westlichen Ländern hingegen soll Kommunikation Unabhängigkeit und Selbsterfüllung immer weiter fördern. Daher ist die Folge des Gesprächs wichtiger als der Verlauf. Kommunikation ist meist nur von kurzer Dauer und dient dazu, greifbare Ergebnisse zu erzielen, wie Freunde gewinnen, Gegner beseitigen und Selbsterfüllung zu erreichen.

 

 6.2 Genau differenzierende statt weniger differenzierende linguistische Redewendungen.

 

Ostasiatische Sprachen sind sehr kompliziert und unterscheiden genau zwischen der Stellung in der Gesellschaft, dem Grad der Vertrautheit, dem Alter, dem Geschlecht und dem Grad der Förmlichkeit. Außerdem existiert ein umfangreiches und vollendetes sprachliches "Ehrensystem" in den sprachen Ostasiens. Diese Differenzierungen bestehen nicht nur aus Redewendungen, sondern stecken auch in Verben, Pronomen und Nomen. Sie sind eine Folge konfuzianischer Regeln der Ethik, die den richtigen menschlichen Beziehungen und der Schicklichkeit die größten Werte zurechnen.

Die Sprachen Ostasiens enthalten zwei Sprachstufen:

 

1. Anrede 2. Verehrung

  1. Normal1. demütig
  2. Höflich2. neutral
  3. Ehrerbietig

Der Empfänger wird dabei ehrerbietig angesprochen, während demütige Redewendungen eher vom Empfänger benutzt werden. Die ehrerbietigste Sprachform wäre, die ehrerbietige Anrede durch den Sender mit der demütigen Form des Empfängers zu vereinen.

Die englische Sprache unterscheidet sich hiervon. Zwar enthält auch sie verschiedene Redewendungen, die Vertrautheit oder Unterschied zwischen Redner und Zuhörer widerspiegeln. Normalerweise beschränkt man sich aber in der Anrede auf eine einfache Zweiteilung:

  1. Vorname oder
  2. Titel plus Nachname

Auch in anderen europäischen Sprachen findet man eine solche Unterteilung wieder, zum Beispiel im französischen durch tu und vous. Entweder verwenden beide die gleiche Form der Anrede, oder sie unterschiedet sich (einer benutzt Vornamen, der andere Titel plus Nachnamen).

Grußformeln werden nach dem Grad der Vertrautheit verwendet.

  1. Grundregeln der Kommunikation) (interkult. Management-Leitfaden VR-China)

 

Bescheidenheit

In den westlichen Ländern erachtet man es als notwendig auf seine Person aufmerksam zu machen, wenn man erfolgreich sein will. In China hingegen wird der Schlüssel zum Erfolg eher in Zurückhaltung und Bescheidenheit gesehen. Wir in Deutschland empfinden es jedoch als "falsche Bescheidenheit", wenn viele Chinesen sich bewußt unfähiger darstellen, als sie es tatsächlich sind.

Beispiel:

"Wenn Sie ihrem Dolmetscher sagen, daß sein Deutsch sehr gut ist, wird er sehr wahrscheinlich antworten, daß es nicht gut ist."

Neid vermeiden

Chinesen sehen es als klug an, wenn man seine Qualitäten oder Leistungen unterbewertet. Dies hat auch einen lebenspraktischen Hintergrund: es soll vermieden werden Neid zu erregen. Eine bewährte chinesische Regel lautet daher:

"Bescheidenheit ist die Grundlage für Vertrauen und Sympathie"

Komplimente

Über- und Untertreibungen sind Zeichen der Anerkennung und des Respekts. Komplimente sollten jedoch nie(!!!) einfach dankend angenommen werden, sondern freundlich und bescheiden zurückgewiesen werden. Beispielsweise, indem man nali, nali sagt, was soviel wie "ach woher denn" bedeutet.

 

7.1 Schwerpunkt auf indirekter, statt auf direkter Kommunikation

Metapher, Hinweise, Andeutungen, Anspielungen und Ironie sind nur einige Beispiele für Arten der indirekten Kommunikation, die man in den meisten Sprachkulturen finden kann.

Searle (1969) stellte fest, daß indirekte Sprachformen dann verwendet werden, wenn der Sender dem Empfänger mehr sagen will, als er dies mit Worten tatsächlich tut; dabei bezieht er sich auf Hintergrundsinformationen, die beiden Gesprächspartnern bekannt sind. Der Sender verläßt sich darauf, daß der Empfänger die richtigen Schlußfolgerungen ziehen kann

Ein großer Teil dieser non-verbalen Hintergrundsinformation bei der Kommunikation mit Chinesen geht auf deren Philosophie – also Konfuzianismus (oder Taoismus) – zurück. Daher ist es immens wichtig zumindest über die Grundzüge dieser in China vorherrschenden Philosophien Bescheid zu wissen. Loyalität und Harmoniebedürfnis sollen als Grundgedanken an dieser Stelle nur noch einmal kurz erwähnt werden.

In welchem Ausmaß diese indirekten Sprachmittel angewandt werden, ist von Kultur zu Kultur verschieden. Amerikaner und Europäer bevorzugen direkte Kommunikation mit wissenschaftlich-demokratischem Inhalt. Bestimmte Kulturen sehen direkte Kommunikation aber als autoritär und überheblich an, weshalb sich diese Form nicht überall bewährt; die indirekte Kommunikation gehe weit besser auf persönliche Wünsche ein (Rosaldo, 1973), was natürlich voraussetzt, daß man sein Gegenüber genau kennt – und diese indirekten Botschaften auch zu deuten weiß, oder eben auch selbst in der Lage ist Dinge indirekt ausdrücken zu können

Beispielsweise kann man einen Dritten beauftragen eine Nachricht zu übermitteln, oder mit jemandem reden, obwohl man einen Dritten meint. (aus westlicher Denkweise wäre dies wohl eher als "feige" und unhöflich zu interpretieren)

Der Grad der Nutzung der indirekten Kommunikation unterscheidet sich zwischen asiatischen und westlichen Ländern stark. In Deutschland würde man beispielsweise sagen: "Die Tür ist offen", wenn man einen anderen indirekt auffordern will, die Tür zu schließen. Im asiatischen Sprachgebrauch würde man aber sagen: "Es ist kalt hier", und somit die Tür überhaupt nicht erwähnen (Okabe, 1987)

 

7.2 Gesicht geben und wahren

Brown und Levinson (1978) führten aus, daß die Höflichkeit in Ostasien (indirekte Kommunikation ist ein Teilaspekt davon) sich vom Begriff "Gesicht" ableitet, dem öffentlichen Profil, das jeder für sich selbst in Anspruch nimmt. Rücksichtnahme auf andere und Sorge um die richtigen Beziehungen zwischen den Menschen führten zu Kommunikationsformen, die es den Menschen erlauben ihr "Gesicht zu bewahren".

Dieses "Gesicht" geben und wahren ist ein zentraler Einflußfaktor auf das Verhalten der Chinesen. Nach unserem westlichen Verständnis bedeutet dies, daß jeder eine bestimmte soziale Rolle verkörpert. Gesicht wird durch soziale Anerkennung gegeben oder durch Mißachtung wieder entzogen (Interkultureller Management Leitfaden - VR China).

In China haben Rang und Alter unterschiedliche Gesichter, die es zu wahren gilt. Beispielsweise Lehrer und Schüler, Führungskraft und Mitarbeiter oder Arbeiter und Angestellte.

Gesichtsverlust wird gleichgesetzt mit dem Verlust der Selbstachtung. Hat man als Fremder einen Chinesen in so eine Lage gebracht ist das Vertrauen zerstört und eine effektive Zusammenarbeit ist nicht mehr möglich.

 

Daher wichtige Grundregeln

  • vermeiden von Situationen, die mit Gesichtsverlust verbunden sind (nie Schwachstellen bloßlegen)
  • immer Spielraum einräumen (um chinesischen Partner nicht in die Enge zu treiben)
  • Alternativen bieten
  • keinen Zeitdruck machen, wo nicht unbedingt erforderlich
  • Partner auf jeden Fall ausreden lassen

 

7.3 Empfänger statt Sender im Mittelpunkt

In westlichen Länder wird bei der Kommunikation meist der Sender in den Mittelpunkt gestellt, darum hat man bis vor kurzem das lineare Einbahn-Modell vom Sender zum Empfänger bevorzugt. Man hat immer wieder versucht, den Sender zu trainieren, um bessere Botschaften zu vermitteln, seine Glaubwürdigkeit zu verbessern oder seine Fähigkeit der Artikulation zu intensivieren. Dies geschieht beispielsweise durch Sprachtrainings in Debattieren oder Reden halten. Im Gegensatz dazu lag der Schwerpunkt in China immer mehr darauf zuzuhören und zu interpretieren.

Cheng (1987) identifizierte unendliche Interpretation als eines der wichtigsten Prinzipien in der chinesischen Kommunikation. Dieser Prozeß beinhaltet, daß der Empfänger im Mittelpunkt steht, und man eher zuhört, als selbst zu reden.

Lebra (1976) sagt, "vorwegnehmende Kommunikation" sei im asiatischen Raum üblich. Dabei versuchen die anderen die Wünsche des Senders zu erraten. Gleichzeitig vermeiden sie damit, zaghaft geäußerte Wünsche des Gastes nicht erfüllen zu können, und so ihr Gesicht zu verlieren. Also trägt somit der Empfänger die Hauptlast der Kommunikation, und nicht der Sender.

Ostasiatische Studenten reagieren im Ausland meist dann sehr verwirrt, wenn sie gefragt werden, was sie denn wollen – also, wenn sie konkret nach ihren Wünschen gefragt werden. In China setzt man jedoch voraus, daß der Gastgeber oder die Gastgeberin über die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Gäste Bescheid wissen, und sie ohne große Nachfrage befriedigt werden. In westlichen Ländern legt man jedoch besonderen Wert darauf, daß der Gast die freie Auswahl trifft.

Seit kurzem hat man aber auch im Westen gelernt, daß besser zuhören wichtiger ist. Sowohl Schüler der Kommunikation, als auch Praktiker haben inzwischen bemerkt, daß Zuhören nicht nur deshalb wichtig ist, weil es hilft die Kommunikation zu verbessern, sondern, wichtiger noch, durch seine positive Wirkung auf die Psyche (Befriedigung, daß der andere zuhört und man nicht gegen eine "Wand" redet).

Silicon Valley

Florida - the Sunshine State (Semesterarbeit Interkulturelle Kommunikation im fünften Semester)

Process Costing Systems (Semesterarbeit im Fach Englisch im fünften Semester)

Der EURO kommt - die Konvergenzkriterien (Referat in Internationaler VWL im fünften Semester)

Controlling in der Region Ostwürttemberg (Zeitungsartikel und Projekt in Medien und Kommunikation, fünftes Semester)

Konfuzianismus(Referat in interkulturelle Kommunikation im vierten Semester)

Einfluß des Konfuzianismus auf zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikation in Südostasien(im zweiten Semester)